GHS Inden: Perfektes Beispiel für funktionierende Inklusion
Von: Daniela Martinak

(www.aachener-zeitung.de /19. Juni 2013 )

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Maxim ist als Kind mit Förderschwerpunkt dennoch fest in die Klasse integriert. Sein Integrationshelfer Aljoscha Ruzicka hilft ihm im Unterricht mitzukommen.

Foto: Martinak

Inden. Maxim konzentriert sich auf die Matheaufgabe. Geometrie steht auf dem Stundenplan. Der Zwölfjährige versteht sehr wohl, was er mit Geodreieck und Bleistift bewerkstelligen muss. Was seine Mathelehrerin Angelika Imkamp-Klein vorne an der Tafel erklärt, versteht er allerdings nicht. Da kommt der für ihn zuständige Integrationshelfer zum Einsatz.

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In der Klasse 5a gibt es bei 22 Schülern sechs mit Förderschwerpunkten. Lehrerin Angelika Imkamp-Klein ist die Geduld in Person.

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„Du sollt einen Punkt auf der Geraden markieren“, erklärt Aljoscha Ruzicka seinem Schützling geduldig. Und schon ist der Schüler wieder bei der Sache. Maxim ist Autist. Autistische Behinderungen bringen Beeinträchtigungen des Sozialverhaltens mit sich. So hat der Schuljunge der Gemeinschaftshauptschule Inden etwa Schwierigkeiten, mit anderen Menschen zu sprechen, Gesagtes richtig zu interpretieren, Mimik und Körpersprache einzusetzen und zu verstehen.

„Wir haben insgesamt 340 Schüler – davon 75 Kinder mit verschiedenen Förderschwerpunkten. Nicht alle sind Autisten, wie Maxim, darunter gibt es auch Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderungen, mit sprachlichen und emotionalen Entwicklungsstörungen und solche, die insgesamt Lernschwächen haben“, erklärt Schulleiter Jürgen Rudig. Kinder zu integrieren, die körperliche oder geistige Defizite haben, sei selbstverständlich und auch für die Regelschüler positiv. „Sie lernen voneinander und entwickeln Sympathie und Akzeptanz“, betont Rudig, deshalb „ist die ganze Aufregung um die Schulinklusion meiner Meinung nach nicht so eng zu sehen.“


Ein brisantes Thema

Das Thema, ist ein brisantes. Die UN-Menschenrechtskonvention verlangt nach Inklusion, nach einer Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Chancen haben und auch am regulären Unterricht teilnehmen sollen. Umbaumaßnahmen und eigens dafür anzuschaffendes Unterrichtsmaterial gehören ebenfalls mit dazu. Eine schöne Theorie, die Praxis aber birgt Hindernisse.

 

Rudig: „Man kann die Schulträger nicht alleine lassen. Sie brauchen finanziell Luft nach oben. Zum Nulltarif geht gar nichts.“ Aber auch ohne neu errichtete Aufzüge und behindertengerechte Sanitäranlagen sei Inklusion möglich. Die GHS Inden verfügt zwar über eine behindertengerechte Toilette, aber Waschräume gibt es zum Beispiel nicht.

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Schulleiter Jürgen Rudig: Inklusion wird an der GHS großgeschrieben.                                        Foto: Martinak

„Wir betreiben schon immer Inklusion und versuchen vieles möglich zu machen. Aber auch wir stoßen an Grenzen. Kinder mit enormen körperlichen Beeinträchtigungen können wir nicht aufnehmen“, muss der Schulleiter zugeben. Das schachspielende Rollstuhlkind sei nicht das Problem. Wohl eher, wie das Kind mit Rollstuhl zum Schachbrett kommt.

In erster Linie müsse Inklusionsbetreibung gewollt sein. Wo die Grenzen sind, dürfe ruhig zugegeben werden. Kooperationen mit integrativen Schulen oder Förderschulen, die Einbeziehung der Schüler etwa in Patenschaften für jüngere oder als Aufsichtshilfen in den Pausen sei auch schon Inklusion. Aber was die Aufnahme von Kindern mit Defiziten betrifft koste die Inklusion Ressourcen vom Personal bishin zum Unterrichtsmaterial. „Die Gemeinde unterstützt uns. Wir haben zusammen überlegt, was wirklich notwendig ist“, sagt Rudig.

Zehn Sonderpädagogen mit verschiedenen Schwerpunkten arbeiten an der GHS im Team mit dem Regelpersonal zusammen. Hinzu kommen noch Lernbegleiter. Neue Kollegen werden unterstützt, denn oft müsse auch mehr Zeit, etwa für Arbeitsblätter oder Schularbeiten, aufgebracht werden. Inklusion sei allerdings auch, Kinder an der Schule zu halten. Zu überlegen, woran es liegen könnte, dass das Kind im Unterricht nicht mitkommt und im Zweifel die Bedingungen ändern.

„Manchmal“, fährt der Schulleiter fort, „erkennen wir aber auch, dass betroffene Schüler letztendlich auf Förderschulen besser aufgehoben sind.“ Eltern sollten aus Vorurteilen Urteile machen. Schließlich sollte die Entscheidung, welche Schulform das Kind besucht, nicht nur getroffen werden, „damit man bei den Nachbarn gut dasteht.“

Inklusion betreiben kann laut Rudig jede Schule. Integration fängt aber schon zuhause an!

Und Maxim? Der hat noch Großes vor: „Ich mache Karriere“, sagt der Zwölfjährige zielstrebig.